Kennzeichnungspflicht für retuschierte Werbefotos

Das norwegische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, wonach Konzerne und Influencer ab Sommer 2022 auf Bearbeitungen am Körper, der Haut und der Größe von Models hinweisen müssen. Mit dem Gesetz will die norwegische Politik gegen verzerrte Körperbilder bei jungen Menschen vorgehen.

WDR

Als ich diese Nachricht im Newsletter “Was jetzt?” von ZEIT ONLINE unter dem Titel “Nur gute Nachrichten” gelesen habe, hatte ich gemischte Gefühle.

Einerseits kann ich die Motivation des Gesetzgebers absolut nachvollziehen: die unrealistisch glänzenden Schönheitsnormen sind für die Gesellschaft schädlich. Mehr als die Hälfte der Deutschen ist mit ihrem Aussehen unzufrieden. Vor allem die Frauen sind davon am stärksten betroffen. Während es bei Männern bei Schönheitsidealen eher um die Gesundheit geht, ist das Frauenbild immer noch stark objektiviert. Bei Frauen geht es nicht darum, gesund zu sein, sondern unabhängig vom Alter sexuell attraktiv zu bleiben. Schönheitsideale haben sich kaum verändert, seit Mädchen zwangsverheiratet wurden und der Geschmack der Männer an Pädophilie grenzte: eine schöne Frau muss ihre Körperbehaarung entfernen, Falten, graue Haare und andere völlig natürliche sexuelle Merkmale einer geschlechtsreifen Person verbergen. Das ist nicht normal.

Die Verantwortung für die Durchsetzung von Schönheitsidealen liegt natürlich weitgehend bei Konzernen und Influencer. Für den Kunden schaffen sie ein dennoch attraktives, ansprechendes Hochglanz-Weltbild, das allerdings meilenweit von der Realität entfernt ist.

Natürlich könnte man die Konzerne und Influencer nicht nur dazu verpflichten, die retuschierten Fotos zu kennzeichnen, sondern ihnen ebenfalls verbieten, die Realität zu verfälschen. Dann müssten auch künstlerische Darstellungen von unrealistisch schönen Menschen und dann ebenso verbale Beschreibungen verboten werden.

Das Problem mit solchen Gesetzen gegen opferlose Straftaten ist, dass sie das Problem nur verdecken, nicht lösen. Solche Gesetze würden vor allem unabhängigen Künstlern und Kleinunternehmen, die keine großen Budgets für Anwälte haben, das Leben erschweren. Große Konzerne werden tausende Wege finden, diese Beschränkungen zu umgehen und werden durch komplexere Regeln nur profitieren.

Die Wurzel des Problems liegt nicht darin, dass Blogger ihre Fotos so retuschieren, damit sie in patriarchale Normen passen, sondern in den patriarchalen Normen selbst. Der Wunsch, die eigenen Ziele durch Verbote und Gewalt zu erreichen, ist sehr charakteristisch für toxische Maskulinität. Darin sehe ich eine bittere Ironie. Ich bin der Meinung, dass nur gewaltfreie Mittel eingesetzt werden sollten, um die Ideale von Freiheit und Gleichheit zu erreichen.