Was überrascht Russen im deutschen Alltag?

Eine deutsche Freundin von mir lebte für eine kurze Zeit in Russland und erzählte mir von einer Sache, die sie verwunderte. Und zwar sagte sie, dass einmal der Aufzug im Haus nicht funktionierte und ihre Nachbarin darüber sehr empört war und meinte, sie würde einen Brief an Putin schreiben, um den Aufzug endlich reparieren zu lassen.

Zuerst dachte sie, es sei ein Scherz, aber dem war nicht so. Der Witz ist aber, dass der Staat so aufgebaut ist, dass Putin tatsächlich für alle Aufzüge in Russland zuständig ist.

Ihr wisst vielleicht, dass es in der Sowjetunion kein Privateigentum gab und alle Häuser und Wohnungen dem Staat gehörten. Die Leute konnten eine Wohnung für eine Art Verdienst absolut kostenlos bekommen.

Nun ist der Kapitalismus in Russland schon lange präsent, aber in den Köpfen der Menschen beginnt der Staat bereits  beim Verlassen der Wohnungstür. Wie bei allen autoritären Regimen fördert die russische Version aktiv den Paternalismus und bekämpft die Selbstverwaltung auf gesetzlicher Ebene.

Ähnlich wie in Deutschland gibt es auch in Russland Hausverwaltungsfirmen, deren Tätigkeiten jedoch so reguliert sind, dass sie in Wirklichkeit Taschenfirmen der Kommunalbeamten sind. In der Praxis ist eine Einflussnahme auf die Hausverwaltungsfirma nur durch Beschwerden bei den Beamten möglich.

Es gibt sogar spezielle Apps dafür, in denen man ein Foto von einer kaputten Lampe oder Schnee vor dem Haus hochladen kann und sich automatisiert per Tastendruck beschweren kann. Ich selbst habe es mehrmals benutzt als ich in Russland lebte. Dabei habe mich nie gefragt – was haben die Beamten eigentlich in meinem Haus zu suchen?

Nun, was hat Putin damit zu tun? Ganz einfach. Erstens werden die Regierungschefs vieler Regionen in Russland nicht gewählt, sondern direkt von durch Putin ernannt. Zweitens können auch die vom Volk gewählten Chefs von Putin willkürlich abgesetzt werden, wenn er ihnen zum Beispiel nicht vertraut. So sagt es das Gesetz.

Der letzte Verfassungs-Putsch, welchen er im letzten Jahr durchführte, unterstellt nun selbst die kleinsten Gemeinden seiner direkten Verantwortung. Also, wenn ihr einmal irgendwo in Russland einen kaputten oder vollgepinkelten Aufzug seht, dann bitte ich um euer Verständnis — Russland ist ein großes Land mit vielen Aufzügen, und Putin hat einfach nicht genug Zeit, den Überblick über sie alle zu behalten.