Mein Weg zur deutschen Sprache

Mein Weg zur deutschen Sprache war alles anderes als trivial. In meiner Schulzeit lernte man als erste Fremdsprache normalerweise Englisch (anders als bei der Generation meiner Großeltern, die fast alle Deutsch lernten). Ich besuchte die Schule mit einem Schwerpunkt in Fremdsprachen und hatte 5-6 mal Englischunterricht pro Woche. In der 5. Klasse ging es darum, optional eine 2. Fremdsprache zu wählen. Ich neigte eher zu Französisch, da ich mich sehr für das Fränkische Reich interessierte und sehr naiv dachte, dass Karl der Große das heutige Französisch sprach. Letztendlich habe ich mich für gar keine 2. Fremdsprache entschieden.

Eine Freundin von mir wollte aber unbedingt Deutsch lernen, da sie es “schön” fand. Das hat mich total überrascht. Ich sagte, es sei doch eine Hundesprache. “Ich kann nicht glauben, dass du das schön findest. Du bist sicherlich eine Faschistin!”, habe ich ihr an den Kopf geworfen. 

Zum Verständnis muss man hier erwähnen, dass ich kein besonderer Deutschlandhasser gewesen bin. Es lag eher daran, dass die 2. Weltkriegsgeschichte, oder genauer gesagt “Großer Vaterländischer Krieg” (was den sowjetischen Angriff auf Finnland und Polen nicht einschließt) in Russland schon damals zu einer Form von Religion geworden ist. Eine Religion, in der es heilige russische Verteidiger gibt und die Brut des Teufels, die Deutschen (und natürlich die Amis, die unseren Sieg klauen wollen).

Deutsch habe ich vor allem in zahlreichen Spielfilmen über den Krieg gehört und musste auch etwas lernen, falls ich einen Deutschen in einem Kriegsspiel spielen muss: “Хэндэ хох! (“Hände hoch!”), “шнеля” (“schneller”), “Гитлер капут!” (“Hitler kaputt”) 

Für diese Zeichnung hätte ich in der Schule sicherlich eine „1“ bekommen.

Der Wendepunkt geschah in der 8. Klasse. Wir waren mit der Klasse in einem Nachtzug auf einer Ausflugsfahrt in eine Stadt und ein Kumpel las uns ein Buch vor. Es handelte von Erzählungen eines Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg. Er beschrieb wie er eine Notlandung mit einem abgeschossenen Flugzeug gemacht hat und wie er durch den Fluss schwimmen musste, um zu seinen Kameraden zurückzukommen. Sein Maschinengewehrschütze konnte es nicht schaffen und ertrank. Die Handlung war sehr spannend und voller Emotionen.

Als er den Fluss überquerte, sah er die Soldaten und lief auf sie zu… aber dann sah ich, dass sie rote Sterne auf ihren Mützen hatten… Na und? Ist doch gut, oder?.. Und so habe ich erfahren, dass der Pilot ein Nazi war und zwar der bekannte Hans-Ulrich Rudel war. Das war ein Schock.

Das lag wahrscheinlich daran, dass ich mir vorher nicht wirklich Gedanken darüber gemacht habe, dass die Deutschen ebenfalls Emotionen und Gefühle haben könnten und nicht nur Vernichtungsmaschinen sind. So oder so, habe ich angefangen alle Erzählungen von deutschen Piloten zu lesen, die ich finden konnte.

Da die Erinnerungen nach dem Krieg niedergeschrieben wurden, waren alle diese Piloten natürlich im Herzen gegen Hitler (ausgenommen von Hans Rudel, der bis zum Tod ein überzeugte Nazi war) Einige beteten sogar für die Gegner, die sie abgeschossen hatten. Ein bisschen naiv von mir, aber es hat auch meine Wahrnehmung der Deutschen positiv beeinflusst.

So wurde mein Interesse an der deutschen Sprache auf eine etwas verrückte Art und Weise geweckt…